14 August, 2008

Die Gouvernementalität

Foucault verwendet den Begriff Gouvernementalität erstmals gegen Ende der Vorlesung vom 1. Februar 1978.[1] Die Erklärung, was er mit diesem, wie er später selbst sagt, „häßlichen Wort“[2] bezeichnet, gliedert er in drei sich aufeinander beziehende Teile:

„Unter Gouvernementalität verstehe ich die Gesamtheit, gebildet aus den Institutionen, den Verfahren, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken, die es gestatten, diese recht spezifische und doch komplexe Form der Macht auszuüben, die als Hauptzielscheibe die Bevölkerung, als Hauptwissensform die politische Ökonomie und als wesentliches Instrument die Sicherheitsdispositive hat. Zweitens verstehe ich unter 'Gouvernementalität' die Tendenz oder die Kraftlinie, die im gesamten Abendland unablässig und seit sehr langer Zeit zur Vorrangstellung dieses Machttypus, den man als 'Regierung' bezeichnen kann, gegenüber allen anderen – Souveränität, Disziplin – geführt und die Entwicklung einer ganzen Reihe spezifischer Regierungsapparate einerseits und einer ganzen Reihe von Wissensformen andererseits zur Folge gehabt hat. Schließlich glaube ich, dass man unter Gouvernementalität den Vorgang oder eher das Ergebnis des Vorgangs verstehen sollte, durch den der Gerechtigkeitsstaat des Mittelalters, der im 15. und 16. Jahrhundert zum Verwaltungsstaat geworden ist, sich Schritt für Schritt 'gouvernementalisiert' hat.“[3]

Ein spezifisches Machtsystem ebenso wie die historische Entwicklung, in deren Verlauf der zu diesem Machtsystem gehörige Machttypus – die Regierung – zur dominierenden Form der Machtausübung geworden ist, das ist es, was Foucault an dieser Stelle der Vorlesungsreihe von 1978 unter Gouvernementalität versteht. Das Machtsystem, von dem Foucault spricht, besteht aus komplexen Regierungstaktiken und -institutionen, welche die Bevölkerung als Ziel, die politische Ökonomie als Wissensform und die Sicherheitsdispositive als Instrument haben. Es konnte sich im 18. Jahrhundert installieren und damit die Regierung gegenüber der Souveränität und der Disziplin als dominanten Machttypus durchsetzen. weiterlesen
[zara pfeiffer]



[1] Vgl. Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, S. 162. Der Begriff „Gouvernementalität“ ist allerdings keine Neuschöpfung Foucaults. Roland Barthes verwendet den Begriff Gouvernementalität bereits 1964 in seinem Buch Mythen des Alltags. Vgl. Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003.
[2] Vgl. Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 173.
[3] Foucault: Die ‚Gouvernementalität’, Dits et Ecrits III, Nr. 239, S. 820f; vgl. auch: Foucault, Michel: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 162. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wurde an dieser Stelle auf die Übersetzung in den Dits et Ecrits zurückgegriffen.

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