17 September, 2008

Michel Foucault: die Grenze unseres Denkens

"Dieses Buch hat seine Entstehung einem Text von Borges zu verdanken. Dem Lachen, das bei seiner Lektüre alle Vertrautheiten unseres Denkens auftrüttelt, des Denkens unserer Zeit und unseres Raumes, das alle geordneten Oberflächen und Pläne erschüttert, die für uns die zahlenmäßige Zunahme der Lebewesen klug erscheinen lassen und unsere tausendjährige Handhabung des Gleichen und des Anderen [...] schwanken läßt und in Unruhe versetzt. Dieser Text zitiert 'eine gewisse chinesische Enzyklopädie', in der es heißt, daß 'die Tiere sich wie folgt grupperen: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Trolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen'. Beim Erstaunen über diese Taxionomie erreicht man mit einem Sprung, was in dieser Aufzählung uns als der exotische Zauber eines anderen Denkens bezeichnet wird - die Grenze unseres Denkens: die schiere Unmöglichkeit, das zu denken."
[Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge]

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich liebe dieses Zitat. Schön, dass Du die Grenze auch als Thema spannend findest. :-)

Marc

zara hat gesagt…

Hey Marc,

gute Wahl! Eines der schönsten und inspirierendsten ... :)
Immer auf der Suche nach guten Texten zu Grenze, vielleicht hast du ein paar Tipps?

Zara

Unknown hat gesagt…

Ich liebe diese Stelle auch sehr - und habe sie beizeiten immer wieder zitiert, verwendet und entwendet - ist für mich reine Theorie-Poesie :-)
...
hier im Rahmen der "Imaginären Bibliothek"
http://www.netzliteratur.net/idensen/hypersciencefiction_text.htm#Heading8
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Ausschnitt aus einer Performance "Code Cruncher" am 23.8.00 (Rolf Grossmann, Michael Harenberg, Heiko Idensen)
https://www.youtube.com/watch?v=JmF23uvLRck