13 August, 2008

michel foucault: sicherheit, territorium, bevölkerung

Foucault beginnt die Vorlesungsreihe Sicherheit, Territorium, Bevölkerung von 1978 mit dem Plan, der Frage nachzugehen, inwiefern sich die Gesamtökonomie der Macht in Richtung einer Sicherheitsordnung entwickelt hat. Gleichzeitig möchte er die Mechanismen aufzeigen, durch die die Bevölkerung im 18. Jahrhundert in eine allgemeine Strategie der Macht eingetreten ist.[1] Es geht ihm um „[...] die Korrelation zwischen der Sicherheitstechnik und der Bevölkerung, zugleich als Objekt und Subjekt dieser Sicherheitsmechanismen, das heißt, die Emergenz nicht nur dieses Begriffs, sondern dieser Realität der Bevölkerung.“ [2]
Die ersten drei Vorlesungen von 1978 widmet er der Untersuchung der Sicherheitsdispositive, die er als Machtform gegenüber den juridischen und den disziplinarischen Formen der Machtausübung abgrenzt, und deren Entstehung den Auftritt der Bevölkerung als Zielscheibe der Machtausübung markiert. An diese Analyse der Sicherheitsdispositive in ihrem Verhältnis zur Bevölkerung anschließend, wendet sich Foucault zu Beginn der vierten Vorlesung am 1. Februar 1978 dem Begriff der Regierung zu, um gegen Ende dieser Vorlesung seinen bisher eingeschlagenen Kurs zu korrigieren und eine Umbenennung der Vorlesung in Geschichte der Gouvernementalität vorzuschlagen:

„Wenn ich der Vorlesung, die ich dieses Jahr in Angriff genommen habe, einen genaueren Titel hätte geben wollen, so hätte ich im Grunde genommen bestimmt nicht ‚Sicherheit, Territorium, Bevölkerung’ gewählt. Was ich jetzt tun würde, wenn ich es wirklich tun wollte, das wäre etwas, das ich eine Geschichte der ‚Gouvernementalität’ nennen würde.“[3]
An dieser Stelle führt Foucault erstmals den Begriff Gouvernementalität ein, mit dem er eine Machtform bezeichnet, die mit komplexen Regierungstaktiken operiert und die Bevölkerung mit Hilfe der Sicherheitsdispositive und der politischen Ökonomie regiert.[4] Die folgenden Sitzungen der Vorlesungsreihe von 1978 verwendet Foucault darauf, die Gouvernementalisierung des Staates, d. h. die historische Entwicklung, welche die Gouvernementalität zur dominierenden Form der Machtausübung hat werden lassen, nachzuzeichnen. Die drei zentralen Stützpunkte, von denen diese Gouvernementalisierung des Staates ausgeht, sind das christliche Pastorat sowie die beiden großen Ensembles politischer Technologien der Staatsräson: die diplomatisch-militärische Technik und die Polizei.[5]
Der Analyse des christlichen Pastorats als Vorspiel der Gouvernementalität widmet Foucault in einem weiten historischen Bogen die Vorlesungen fünf bis acht. Die Pastoralmacht, die Foucault auch als „Kunst, die Menschen zu regieren“[6] bezeichnet, sieht er als Vorspiel der Gouvernementalität, „[…] deren Eintritt in die Politik [...] die Schwelle des modernen Staates markiert.“[7] In der neunten Vorlesung befasst sich Foucault mit dem Übergang von der „Pastoral der Seelen zur politischen Regierung der Menschen[...]“[8]. Daran anschließend behandelt er vom Ende der neunten bis zur zwölften Vorlesung die Staatsräson, mit der sich der Staat nun auf sich selbst und nicht mehr auf religiöse oder natürliche Begründungen stützt. Die elfte Vorlesung widmet Foucault der diplomatisch-militärischen Technik, welche das Kräftegleichgewicht zwischen den Staaten sicherstellen soll, und die zwölfte Vorlesung der Polizei, welche sowohl für die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung des Staates als auch für die Maximierung der Kräfte im Inneren des Staates zuständig ist. In der dreizehnten und damit letzten Vorlesung der Vorlesungsreihe von 1978 befasst sich Foucault schließlich mit der im 18. Jahrhundert aufkommenden Kritik der Physiokraten an der reglementierenden Regierungstechnik der Polizei, in deren Folge sich der Polizeistaat zu einem Regierungsstaat entwickelt, der die Bevölkerung mit Hilfe der Statistik und der Wahrscheinlichkeit regiert.
Mit diesem Auftritt der Bevölkerung, die durch die Sicherheitsdispositive regiert wird, schließt Foucault den Kreis zum Beginn der Vorlesungsreihe und beendet diese mit der Bemerkung, dass der Staat keine Ontologie sei, sondern eine Handlungs- und Denkweise, deren Geschichte eine Genealogie des Staates in Form der Geschichte der Gouvernementalität ermöglicht.[9]
[zara pfeiffer]

Die Geburt der Biopolitik

Die Geschichte der Gouvernementalität


[1] Vgl. Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 26.[2] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 27.[3] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 162.[4] Vgl. Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 162.[5] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 165f[6] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 242.[7] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 242.[8] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 333.[9] Vgl. Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 505 und S. 513.

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